Mittwoch, 29. Oktober 2014

Viel Regen und eine Brücke über den Atlantik

Am Sonntag habe ich meinen dritten Ausflug mit den ISUK gemacht. Amelie war wieder dabei, sowie Sebastian, ein anderer GET. Diesmal ging es nach Oban und zur Isle of Seil. Ja, Oban klingt wie Oben und bevor ihr anfangt, euch Anspielungen auf den Disney-Film zu überlegen, vergesst es. Amelies Schwester und Freund haben schon alles abgegrast. ;-)
Dieses Mal war es aber ein Pleiten, Pech und Pannen-Ausflug für mich. Es fing schon damit an, dass ich fast den Bus verpasst hätte, weil ich die öffentlichen Verkehrsmittel in Glasgow doch noch nicht so ganz gemeistert hatte. Das Internet hatte mir eine falsche Verbindung angezeigt und so strandete ich sonntagmorgens um halb acht in der Innenstadt. Der nächste Bus in Richtung Uni sollte erst eine Dreiviertelstunde später fahren und die U-Bahn war noch geschlossen. Also was tun? Ich habe schnell eine SMS an Amelie geschickt und bin zu Fuß gegangen. Viertel vor acht an der Uni sein würde ich nicht schaffen, aber vielleicht könnte ich kurz vor acht noch in den Bus springen. Also beeilte ich mir. Im Kopf sang ich "500 Miles" von den Proclaimers. Das passte irgendwie. Außerdem ist das Lied in meinem Kopf mittlerweile schon Untrennbar mit den ISUK-Ausflügen verbunden. Zu allem Überfluss nieselte es. Als ich an der University Avenue ankam, war es fünf vor acht. Leider wartete der Bus vor dem Haupteingang der Uni, also etwa in der Mitte der Straße und das auf einem Hügel. Ich habe die Beine in die Hand genommen und bin tatsächlich den Hügel hochgerannt. Der Bus war noch da und ich wurde von Amelie, die mir schon von weiten bedeutete, dass ich nicht rennen bräuchte, und einer mitfühlenden studentischen Reiseleitung in Empfang genommen.
Im Bus konnte ich mich dann erst mal erholen. Draußen regnete es inzwischen stärker und es machte Spaß zuzusehen, wie das Regenwasser aus den Pfützen hochspritzte, wenn der Bus durch sie hindurch fuhr. Wir waren uns sicher, dass sich das Wetter bis Oban beruhigen würde und trocken und warm im Bus kam dann auch wieder Reisefreude auf. Aber irgendwas fehlte. Als Loch Lomond in Sicht kam, war nichts von dem gleichnamigen Lied zu hören. Wo war unser Soundtrack? Amelie merkte das bei der Reiseleitung an, die feststellen musste, dass keine der CDs, die sie dabei hatte, funktionierte. Also mussten wir ohne das Lied auskommen.

Loch Lomond im Regen
Der erste Halt war Luss am Loch Lomond. In diesem Dorf wurde das Fernseh-Drama Take the High Road gedreht. Ich habe es bisher noch nicht gesehen. Wir stoppen, um auf die Toilette zu gehen, einen Kaffee zu trinken und uns den Ort anzusehen. Es hätte sicherlich sehr schön sein können. Wenn es nicht die ganze Zeit geregnet hätte. Todesmutig sind wir trotzdem ans Ufer des Loch Lomonds gegangen, haben versucht, auf der anderen Seite etwas zu erkennen und sind dann durch das Dörfchen zurück zum Bus gegangen, allerdings nicht ohne vorher kurz in einen Touristenladen reinzuschauen.

Von Luss aus fuhren wir nach Oban weiter. Es regnete immer noch ununterbrochen und dazu kam ein Wind, der den Gebrauch von Schirmen unmöglich machte. Nicht, dass ich einen Schirm gehabt hätte. Meiner ist in Manchester vom Wind zerstört worden und ich brauche einen neuen. 
Blick über Oban
In diesem wunderbar schottischen Wetter (lange erwartet aber nicht ersehnt) kletterten wir zuerst viele Stufen zu McCaig's Tower hoch. Der sogenannte Turm ist kein Turm sondern ein rundes Gemäuer, das ein bisschen Ähnlichkeiten mit dem Kolosseum im Rom hat und das ein Mann namens McCaig als Denkmal für seine Familie bauen wollte. Allerdings ist er vor der Fertigstellung gestorben und keins seiner Kinder schien ein Interesse daran gehabt zu haben, das Denkmal (mit Statuen aller Familienmitglieder) zu beenden.


Das Kolosseum?

Nein, McCaig's Tower!
Da wir nach der Besichtigung des schottischen Kolosseums schon völlig durchweicht und matschig waren, beschlossen Amelie, Sebastian und ich nicht mit zum Schloss von Oban zu gehen. Stattdessen machten wir uns wieder auf den Rückweg zum Bus, da uns in der Nähe der Fährstation ein Fischrestaurant empfohlen worden war. Zwischendurch machten wir in einem niedlichen Süßigkeitenladen Halt, in dem es Schokolade gab, die aussahen wie von Willy Wonka. Der Laden an sich hat mich an den Honigtopf aus Harry Potter erinnert. Ich gebe zu, es gibt hier ziemlich viel, das mich an Harry Potter erinnert (man muss den Bussen zuwinken, damit sie einen einsteigen lassen, wie beim Fahrenden Ritter, und Tesa-Film heißt Sellotape während es in Hogwarts Spellotape (spell = Zauberspruch) genannt wird - er kann es mir also verübeln?), aber es ist wohl einfach so, dass JKR so viel britischen Alltag in ihren Büchern verarbeitet und für die Zaubererwelt umgewandelt hat, dass man die ganze Anspielungen erst versteht, wenn man eine Weile hier lebt. Ich weiß nicht, ob es in Deutschland auch so kleine Süßigkeitenläden gibt, bisher habe ich noch keine gesehen, wenn man von dem im Detmolder Freilichtmuseum absieht. Aber hier in Schottland (und auch in England) habe ich bereits mehrere entdeckt.
Nach dem Abstecher in den Honigtopf... ähm, ich meine den Süßigkeitenladen gingen wir noch in die Oban Distillery (alles mit einem Dach drüber war gut - und die Oban Distillery ist schließlich eine Sehenswürdigkeit in Oban), aber wir haben uns nur den Gift Shop angesehen und uns gefragt, wer 600 Pfund für eine Flasche Whisky übrig hat (wir Fremdsprachenassistenten jedenfalls nicht). Man hätte eine Führung durch die Brennerei machen können, aber uns war nicht danach. 
Stattdessen sind wir in Richtung Hafen gegangen und sind, nachdem wir ein paar Postkarten gekauft haben, in das Restaurant gegangen, das uns als etwas teurer aber sehr gut empfohlen wurde. Die Preise waren tatsächlich gesalzen, aber das Mittagsmenü war erschwinglich und wir wollten gerne richtigen Fisch und/ oder Meeresfrüchte essen. (Gut, ich hatte als Vorspeise dann überbackenen Haggis, aber als Hauptgericht dann Muscheln) Das Essen war tatsächlich gut. Der Service war unterirdisch. Eigentlich hatten wir gedacht, dass eineinhalb Stunden bei einem nur halbvollen Restaurant Zeit genug für ein Mittagessen seien, mussten aber feststellen, dass es das nicht war. Die beiden Kellnerinnen schienen keinen Plan zu haben, machten viele Wege umsonst und sahen auch nicht, was gerade anfiel (Tisch abräumen oder so). Also warteten wir ziemlich lange auf unser Essen und mussten es am Ende innerhalb einer Viertelstunde runterschlingen. Gut, dass Amelie und ich uns gegen einen Nachtisch entschieden hatten. Im Endeffekt war es dann so, dass Amelie vorlief, um unsere Reiseleitung vorzuwarnen, dass Sebastian und ich später kommen würden. Zum zweiten Mal an diesem Tag joggte ich zum Bus.

Das letzte Ziel der Reise war die Isle of Seil. Man gelangt zu ihr, in dem man über eine Brücke fährt, die über den Atlantik führt. Diese Brücke war auch groß in unserer Reiseroute aufgeführt worden, so dass ich mich fragte, was an ihr denn so besonders sein sollte. Als ich vor drei Jahren Johanna in Wales besucht habe, bin ich auch über eine Brücke gefahren, die über eine Meerenge führte, und die war nicht sonderlich spektakulär. Dann sah ich aber die Brücke. Oder vielmehr, sah ich sie nicht, sondern erst, als wir schon drüber gefahren waren.
Die Brücke ist winzig. Gleichzeitig ist sie so steil, dass ich mir im Bus vorkam als säße ich in einer Achterbahn, denn wenn man durch die Windschutzscheibe rausguckte, sah man auf dem Scheitelpunkt der Brücke die Straße nicht mehr. Es heißt, es bringe Glück, wenn man auf der Brücke einmal hin und zurück laufe. Trotz des Regens haben Amelie und ich das gemacht. Wenn das jetzt kein Glück bringt, weiß ich auch nicht weiter.
(c) Amelie

Ich glaube, die Isle of Seil kann wunderschön sein, wenn die Sonne scheint. Auch im Regen hatte die Insel irgendwie ihren Charme. Die Wellen, die gegen die Felsen krachten, hatten auf jeden Fall was. Im Bus waren wir alle dazu aufgefordert worden, doch den Atlantik zu berühren. Daran merkte man, dass viele der International Students wohl aus den USA kommen (oder zumindest die, die die Fahrten organisieren), denn es wurde betont, wie toll es doch sei, dass Wasser mal an der anderen Seite anzufassen.

Ich fand die Idee trotz des vielen Wassers von oben und den Temperaturen auch irgendwie verlockend und begab mich zu einer Betonrampe, die ins Wasser führte. Das war allerdings nicht der beste Ort, um die Hand in den Atlantik zu stecken und nachdem eine Welle über meine Schuhe gerollt war, beschloss ich, dass das genug touching gewesen war. Niemand hatte uns gesagt, wir sollten den Atlantik mit unseren Händen berühren.
Auf der Suche nach einem heißen Getränk gingen wir in das Highland Arts Exhibition Centre, vor dessen Eingang rote chinesische Löwen-Statuen standen, und in dem man Souvenirs kaufen und sie Bilder von teilweise fraglicher Qualität (meiner Meinung nach) ansehen konnte. Die Bilder hatte wohl ein Einwohner der Insel gemalt. Ich entschied mit gegen Tee aus dem Automaten und schaffte es mit Amelie diesmal sogar rechtzeitig zum Bus.


Eigentlich war der Plan aus Oban direkt nach Glasgow zurückzufahren, aber aus irgendwelchen mir unerklärlichen Gründen hielten wir auf dem Rückweg noch in Inveraray. Ja, das kleine Dorf mit dem Schloss aus Downton Abbey, das ich bei der Tour nach Glenfinnan schon gesehen hatte. Dieser Halt war der überflüssigste überhaupt. Wir hatten zwanzig Minuten Pause und es hieß, wir könnten uns das Castle angucken oder einen Tee trinken. Joa. Es war schon dunkel, es regnete in Strömen und der Tea Room hatte bereits geschlossen. Einige gingen in den Pub, aber Amelie und ich gingen, gefolgt von Sebastian, zur Tankstelle, an der es einen Tchibo-Automaten gab. Mit einer heißen Schokolade und Keksen war die Welt dann doch zumindest einigermaßen in Ordnung.

Samstag, 25. Oktober 2014

I'm a Barbie Girl oder: British Council Training Day

Gestern hatten wir FLAs einen Training Day, der vom British Council organisiert wurde. Aus ganz Schottland kamen Assistenten nach Glasgow, um daran teilzunehmen. Aus diesem Grund hatte ich Marit, die deutsche Assistentin von den Orkney Islands für ein paar Tage zu Gast. Beim Goethe Institut-Treffen hatte sie erzählt, dass sie an diesem Tag teilnehmen und vorher gerne nochmal ein bisschen Glasgow erkunden würde, also habe ich ihr angeboten, dass sie bei uns in der Wohnung übernachten kann. Ich musste zwar schon wieder zur Schule, aber ich habe sie dann nachmittags irgendwo in der Stadt aufgesammelt und wir sind dann zusammen nach Hause gefahren. Sie hat mich auch auf die Idee gebracht, den Film Love is strange zu sehen, den ich auf jeden Fall empfehlen kann.

Zurück zum Training Day: Nachdem das British Council-Einführungstreffen für mich ein bisschen enttäuschend war, weil es vor allem organisatorisch und weniger inhaltlich war, war ich sehr gespannt, wie dieser Tag verlaufen würden. Es wurde ein großer Aufwand um die Anmeldung betrieben - online eintragen in einer Umfrage, bei der dann auch der Name des Mentor Teachers eingetragen und Essensgewohnheiten (vegetarisch oder nicht etc.) genannt werden mussten. Eine Woche vorher kam dann eine Mail mit der Erinnerung an den Tag. In dieser Mail wurden wir außerdem dazu aufgefordert, an dem Tag etwas Pinkes zu tragen, da Breast Cancer Awareness Day sei. Außerdem könne man für die Krebsforschung spenden. Die Person mit dem besten pinken Outfit bekäme auch einen Preis.
Nun ist Pink bzw. Rosa so gar nicht meine Farbe. Ich habe mir dann aber trotzdem pinken Nagellack und pinke Zopfgummis gekauft und außerdem meinen pinken Yes-Anstecker von der Unabhängigkeitsbewegung, den ich auf meinem Schreibtisch gefunden habe, angesteckt. Das "Yes" sollte "Ja zu Awareness", nicht "Ja zu Brustkrebs" heißen. (Natürlich hat Andreas, ein andere deutscher Assistent, das direkt falsch verstanden) Der Blick auf meine Fingernägel hat mich den ganzen Tag lang schaudern lassen... Um die Spannung vorwegzunehmen: Ich habe nicht gewonnen. Die Gewinnerinnen hatten alle ein Teil komplett in rosa an (die Chinesin, die den ersten Preis gewonnen hat, zum Beispiel einen schon wirklich Barbie-mäßigen rosa Blazer) und der männliche Gewinner des dritten Platzes hatte dunkel-rosa Streifen auf seinem Pulli und hat den Preis bekommen, weil er der einzige Junge war, der überhaupt etwas Rosanes anhatte. Meiner Meinung nach hätte die Frau vom Schottischen Sprachenzentrum gewinnen müssen, weil sie wirklich richtig rosa angezogen war und sogar eine rosa Perücke aufhatte. Aber sie war Mitglied der Jury.
Gestern gab es dann wirklich den inhaltlichen Input, der beim ersten Treffen mit dem British Council gefehlt hat. Zuerst gab es einen Vortrag über Behaviour Management, den der Vortragende selber mit den Worten "Be friendly (as far as possible)" zusammenfasste. Danach lernten wir alle ein bisschen Walisisch. Die Lehrerin sprach ausschließlich Walisisch mit uns, um uns zu zeigen, dass man eine Sprache auch unterrichten kann, ohne die Muttersprache der Schüler zu benutzen. So lernten wir von einer Frau mit spitzem Hut, die wie ein Kobold vor uns auf und ab sprang, die Zahlen von 1 bis 3, die Farben rot, grün und blau und ein paar Kleidungsstücke. Vermutlich wird uns allen das Wort für Unterhose im Kopf bleiben (Dillad isaf), weil die Lehrerin die entsprechenden Kleidungsstücke mitgebracht hatte und einen der Jungs dazu brachte, sich eine blaue Spitzenunterhose (Dillad isaf glas) über seine Jeans anzuziehen. Mir hat es geholfen, dass die Lehrerin zusätzlich dazu, dass sie die Wörter gesagt hat, sie auch noch auf Schildern hochgehalten hat. Allerdings ist die Schreibweise im Walisischen komplett anders als die Aussprache.
Nach diesem lustigen Part waren wir selber gefragt, eine Unterrichtseinheit von fünf Minuten vorzubereiten und den anderen Assistenten ein paar Worte in unserer Muttersprache beizubringen, ohne dabei Englisch zu sprechen. Dazu fanden wir uns mit unseren Leidensgenossen Mitmuttersprachlern in einer Gruppe zusammen. Abgesehen von den Italienern, die nur zu zweit waren, waren wir Deutschen mit fünf Leuten die kleinste Gruppe. Und wir waren alle hochmotiviert und voller Ideen. Nicht. Im Grunde war die Aufgabe ja gut und praxisorientiert. Das Problem war, dass unsere Gruppe die Aufgabe hatte, mit den anderen ein Möbiusband zu basteln. Alle Unterrichtsstunden hatten irgendwas mit dem Möbiusband zu tun (die Chinesen hatten z.B. eine Brücke, die davon inspiriert war, die Spanier einen Film über Möbius), aber wir sollten mit unseren fünf Minuten die Grundlage bilden. Wir standen dann aber Problem, was wir genau sprachlich unterrichten wollten, auf welche Klassenstufe wir unsere Überlegungen abstimmen sollten und was wir in den drei Folgestunden, die eh niemanden interessierten, die wir aber auf dem Zettel eintragen mussten, machen sollten. Im Endeffekt hat Marit die Schritte langsam übers Mikro erklärt ("Nehmt die Schere. Die Schere"), während wir anderen in Zweiergruppen die Schritte stewardessenmäßig vorgemacht haben. Etwa die Hälfte hat mitgebastelt, aber das war mir auch egal. Und alles was die anderen mitgenommen haben, war vermutlich "Hallo", "Tschüss" und "Sehr gut". Wenn überhaupt. Aber was soll's. Ich habe von der chinesischen Vorführung nur "mu" (oder so ähnlich) für "Baum" im Kopf behalten.
Bei Chinesisch hat man wirklich nochmal gemerkt, wie es ist, eine Fremdsprache ohne irgendwelche Kenntnisse und sei es nur durch andere Fremdsprachen zu haben. Ich kann Spanisch, ich hatte mal Französisch und bei Italienisch konnte ich mir dementsprechend ziemlich viel ableiten. Deswegen hatte ich keine Probleme, diesen Gruppen zu folgen. Auch bei Walisisch ging es einigermaßen, weil "côt" (Mantel) doch recht ähnlich wie "coat" klingt. Bei Chinesisch hatte ich gar keine Anhaltspunkte und konnte teilweise nicht mal die Wörter von einander unterscheiden. Vielleicht war es auch nicht so günstig, dass die Chinesisch-Gruppe das Bild mit der Brücke, also das Thema Architektur, hatte. Wir Deutschen hatten es mit den Gegenständen wie Papier und Schere deutlich einfacher.
Das Treffen wurde von einer Frage-und-Antwort-Runde beendet. Allerdings sah die so aus, dass wir Fragen aufschrieben und der British Council sie beantwortete. Es wäre interessant gewesen, wenn andere Assistenten auch etwas dazu hätten sagen können. Der Erfahrungsaustausch untereinander war auf die Pausen und die Zeit während des wirklich leckeren Mittagessens beschränkt. Ich persönlich fand das etwas schade, muss aber auch sagen, dass ich die Zeit nicht effizient genutzt habe. Nicht, dass ich keine netten Gespräche geführt hätte, aber wenn ich es gewollt hätte, hätte ich vermutlich mehr Schulerfahrungen austauschen können. Nun ja.
Nach zwei Gruppenfotos wurden wir entlassen. Die meisten machten sich auf den Weg, um irgendwo was (alkoholisches) zu trinken. Marit und ich gingen stattdessen in den Hidden Tearoom, wo wir einen sehr leckeren Chaitee getrunken und dazu Scones gegessen haben. Die Teestube hat mir sehr gut gefallen. Sie ist größer, als es von außen den Anschein hat (zwei Etagen), ist sehr niedlich eingerichtet und den Tee gibt es aus kitschigen, aber irgendwie passenden, Blümchentassen und -kannen. Auf einem Schild stand, dass man dort auch Junggesellinnenabschiede feiern könnte. Also, wenn es bei mir irgendwann mal soweit ist - ihr wisst Bescheid! ;-)
Abends waren Marit und ich noch bei einem Ceilidh, den uns der British Council empfohlen hat. Allerdings waren wir beiden die einzigen, die von den Assistenten gegangen sind. Es ware trotzdem sehr lustig. Der Ceilidh war längst nicht so ernst wie unser Kurs (natürlich nicht, das war ja zum Vergnügen, während wir bei unserem Kurs wirklich die Schritte lernen sollen) und es wurde alles genau erklärt, so dass meine Gedanken, ich könne nicht mitkommen, weil ich im Kurs auch eine der langsameren Lerner bin, unbegründet waren. Im Gegenteil: Ich hatte sogar das Gefühl, eine derjenigen zu sein, die zumindest ein bisschen eine Ahnung hatten, was gerade vor sich ging. Natürlich waren die beiden jungen Männer im Kilt diejenigen, die am besten Bescheid wussten, wie die Tänze gingen. So ganz dem Klischee entsprechend. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, aber leider konnten wir nicht bis zum Schluss bleiben, weil Marit am nächsten Morgen früh wieder zurück fliegen musste. Außerdem waren wir ja auch schon den ganzen Tag auf den Beinen gewesen. Von daher fand ich auch, dass das Bett nicht die schlechteste Idee war.

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Ab in den Süden...

Nein, ich bin in meinen Herbstferien nicht kurz nach Spanien geflogen, weil ich die Sonne in Schottland so vermisst habe - das schottische Wetter ist nach wie vor nicht so schlimm wie erwartet, auch wenn man merkt, dass es Herbst wird - sondern ich war vier Tage lang mit drei spanischen Assistenten, Annabel, Susana und Gillen (der sich als männlich herausstellte - immer diese ausländischen Namen! :-D (sorry, Gillen)), in Nordengland unterwegs. Alles hat damit angefangen, dass ich Annabel gefragt habe, ob sie nicht mit auf die Loch Ness Tour kommen wolle und sie meinte, sie habe eine Englandreise geplant, ob ich da nicht mitwolle. Eigentlich hatten sie vor, schon Samstag aufzubrechen, aber weil ich da noch in Inverness war, haben sie ihre Pläne netterweise um einen Tag nach hinten verschoben. Sonntagvormittag ging es dann (zum Glück nicht um acht sondern erst um neun) in Annabels Auto Richtung Süden bzw. South the Wall. ;-)

Tag 1: Lake District, Lancaster und Liverpool
 
Als ich mir vor dem Beginn meines Aufenthalts hier überlegt habe, was ich den gerne sehen würde, fielen mit viele Orte in Schottland ein, aber der Lake District stand bei mir auch ganz weit oben auf der Wunschliste. Ich meine, Lizzie aus Stolz und Vorurteil wollte da schon gerne hin und Wordsworth hat seine berühmt berüchtigten Daffodils am Ufer des Ullswater gesichtet. Das muss man sich dann als Anglistik-Studentin doch mal ansehen. Wir haben es zwar nicht nach Grassmere geschafft, aber die Gegend war trotzdem wunderschön.
Bei überwiegend blauem Himmel sind wir zuerst am Ullswater entlang gegangen - und mussten feststellen, dass Gummistiefel die angemessene Wahl des Schuhwerks gewesen wären... Was soll's! Dicke Wurzeln auf dem Boden, Wurzeln in der Luft, Bäume auf winzigen Inselchen im Wasser - all das kann definitiv einen "spontaneous overflow of powerful feelings" bewirken.



Nach einem Spaziergang am Wasser sind wir wieder ins Auto gestiegen und weitergefahren. Weil es aber so schön war, haben wir wieder angehalten und wollten nochmal an den See herunter gehen. Dabei sind wir unbeabsichtigt auf Privatgelände geraten. Der Nachbar war aber sehr verständnisvoll und anstatt uns anzupflaumen gab er uns de Schlüssel zu seinem Bootshaus, damit wir uns den See nochmal aus der Nähe ansehen konnten. Das Bootshaus hatte einen kleinen Balkon, von dem aus die Sicht über das Wasser wirklich atemberaubend war. Auch in England ist der Herbst angekommen und die Bäume verfärben sich. Dazu das Wasser des Sees und die Hügel dahinter. Hach, es war einfach schön. Und erinnerte irgendwie an das Auenland.







Das Bootshaus hat uns wirklich nochmal einen anderen Blick auf den See gewährt. Es war echt nett, von dem Mann uns den Schlüssel zu leihen. Im Gegenzug halfen wir ihm, seinen elektronischen Rentner-Bobbycar aus dem schlammigen Boden zu befreien. Er gab uns dann auch noch den Tipp, den Aira Force Wasserfall zu besuchen, was wir auch taten.
Dieser Wasserfall wird übrigens auch in einem Gedicht von Wordsworth erwähnt. Zwischen moosigen Steinen, Bäumen und Farnen stürzt das Wasser den Berg herunter. Über gewundene Wege und kleine Brücken kann man am Wasser entlang und darüber hinweg gehen. Ein toller Ort, den man leider kaum auf Bildern festhalten kann.



Vom Lake District aus ging es weiter gen Süden nach Lancaster. Ich bin auf dem Weg dahin im Auto eingeschlafen, vermutlich aus Übermüdung nach dem Tagesausflug mit den ISUK, aber auch weil eine Erkältung im Anmarsch war. Susana fragte mich daraufhin jeden Tag mindestens dreimal, wie es mir ginge und ob ich Fieber habe. Lancaster konnte ich deswegen auch nur halb würdigen. Ich war noch ziemlich dösig im Kopf. Wir haben die Kathedrale besichtigt (eine von vielen Kirchen, die wir auf der Reise sehen würden) und kamen am Castle vorbei, das wir aber nicht besichtigen konnte, weil gerade ein Musik Festival stattfand, für das wir keine Karten hatten.

Lennon-Statue
Die erste Nacht verbrachten wir in Liverpool. Wir gingen in den Cavern Club, in dem schon die Beatles in jungen Jahren, sowie viele anderen bekannte Namen wie die Rolling Stones oder Queen aufgetreten sind. Wir haben ein Bier bzw. Cider getrunken und den Beatles-Coverbands zugehört. An den Tischen neben uns schienen ein paar Erasmus-Studenten zu sein, unter ihnen auch Deutsche. Irgendwann fingen sie an "Schatzi, schick mir ein Foto" zu singen. Ich habe mich auf meinem Stuhl ganz klein gemacht. Gillen, der eine Zeit lang in Berlin studiert hat, grinste mich an. Vermutlich kannte er das Lied.










Tag 2: Liverpool und Manchester

Da wir am Abend zuvor nicht besonders viel in Liverpool gesehen hatten, nahmen wir uns am nächsten Morgen viel Zeit, um die Stadt zu besichtigen. Liverpool hat zwei Kathedralen (ich hatte ja schon angekündigt, dass wir viele Kirchen gesehen haben), die katholische Liverpool Metropolitan Cathedral, die ein bisschen an Saurons Krone erinnert, und die anglikanische Liverpool Cathedral. Beide Kirchen sind im 20. Jahrhundert (fertig) gebaut worden. Auch wenn ich die anglikanische Kirche sehr viel älter geschätzt hatte. Laut Wikipedia ist sie die letzte neogotische Großkirche, die gebaut wurde (übrigens hatte Mackintosh sich auch mit einem Entwurf beworben). Wie gesagt, ich dachte, sie wäre älter. Ziemlich wahnsinnig, dass in den letzten 100 Jahren noch zwei so riesige Kirchen in einer Stadt gebaut wurden. Unabhängig davon, ob sie nun für die gleiche Konfession gebaut sind oder nicht. Wobei es zu ihrem Planungszeitpunkt natürlich noch undenkbarer als heute war, dass beide Konfessionen vielleicht zusammenfeieren könnten.
Nicht die Kopfbedeckung des dunklen Herrschers von Mordor sondern die Metropolitan Cathedral
Liverpool Cathedral
In der Metropolian Kathedral waren wir nicht drin. Allerdings soll sie von innen viel schöner sein als von außen. Die andere haben wir dagegen schon von innen gesehen. Von außen gefiel sie mir nicht so gut, von innen dafür aber umso mehr. Sie ist unglaublich groß. Als ich reinkam, fiel mein Blick auf eine Fläche mit Stühlen und Tischen und ich fragte mich, ob die mich eigentlich veräppeln wollen und mittlerweile jede Kirche in Großbritannien in etwas anderes als eine Kirche verwandelt wurde. Auch die rosa Leuchtschrift unter dem Westfenster, die 2008 als Liverpool Kulturhauptstadt Europas war, angebracht wurde, fand ich etwas irritierend. 

 Hinter dieser Fläche streckte sich dann aber das Hauptschiff, das ganz normal mit Stühlen mit Blick auf den Altar ausgestattet ist. Die Kirche wird tatsächlich nicht nur für Gottesdienste verwendet, aber das ist auch wohl sinnvoll, denn die Größe scheint mir doch etwas übertrieben. Sie ist die fünftgrößte Kirche der Welt. Allein die Lady Chapel hat in etwa die Größe einer durchschnittlichen Pfarrkirche.

Lady Chapel

Gut gefallen hat mir aber die Kinder-Kapelle, die im Vergleich zum Rest der Kirche von der Größe her aber ein Witz ist. Ich finde die Idee schön, dass die Kinder einen Bereich in der Kirche haben, der ihnen "gehört". Dort steht u.a. ein Baum mit Papierblättern, auf die die Kinder etwas geschrieben hatten.
In der Kapelle daneben erinnert ein großer leuchtender Reifen an die Opfer der Hillsborough disaster als bei einem Spiel des FC Liverpool gegen Nottingham Forest 96 Fans zu Tode getrampelt und über 700 verletzt wurden, weil die Menschen sich nicht gleichmäßig auf die verschiedenen Blocks verteilen konnten.
Die Kathedrale ist also sehr vielseitig und das finde ich gut, auch wenn ich das ganze Gebäude dann doch etwas größenwahnsinnig finde. Gut, ich habe keine Ahnung, wie die Gemeindegröße um 1900 war, aber ich werde den Gedanken nicht los, das jemand mit diesem Bau vor allem angeben wollte.
Von der Kathedrale aus liefen wir durch China Town (was sich auf der Reise irgendwie zu einem running gag entwickelte) hinunter zum Hafen. Wir stoppten kurz im Beatles-Laden und gingen dann am Wasser entlange und dann zurück zum Auto, vorbei am Kneipen-Viertel, das wir in der Nacht vorher besucht hatten - auf einem Haus sind Statuen der Beatles zu sehen - und an der George Hall, inklusive Kriegerdenkmal des ersten und zweiten Weltkriegs (was hatte ich nochmal über die Denkmäler gesagt?). Insgesamt hat mir Liverpool aber ziemlich gut gefallen. Ich hatte nicht viel von der Stadt erwartet, aber sie hat mich richtig positiv überrascht.

In Manchester regnete es. Schon in Liverpool war das Wetter nicht besonders toll. Ich habe trotz Anorak mit reingeknöpfter Fleecejacke gefroren. Aber in Manchester war es noch um einiges fieser. Annabel wollte uns eine bestimmte Bibliothek zeigen, aber vorher sind wir etwas planlos herum gelaufen und haben erstmal die Touristeninformation gesucht. 

Schock in Manchester
Mit einer Karte bewaffnet sind wir etwas weniger planlos in Richtung Kathedrale gelaufen, in der ein Spiegel stand, der ohne Weiteres aus einer Märchenwelt hätte stammen können. (Das Foto von mir und dem Spiegel hat übrigens Susana gemacht)

Die Bibliothek, die Annabel uns zeigte, war wirklich wunderschön. Leider haben wir nicht viel sehen können, weil wir nur wenig Zeit hatten, aber sie sah total nach Hogwarts aus. Ich habe einen Gang gesehen, bei dem ich sofort an Pfützen auf dem Boden und einen sich durch die Schule schlängelnden Basiliken denken musste (vielleicht weil es draußen so nass war).



Von Manchester aus sind wir nach Reeth gefahren, wo wir übernachten wollten. Die Jugendherberge lag etwas außerhalb, aber das war uns beim Buchen egal, weil das Gebäude und die Landschaft einfach wunderschön waren. Im Auto habe zumindest ich die Entscheidung verflucht. Es regnete im Strömen, es war viel Verkehr und wir kamen einfach nicht an. Zwischendurch rief das Hostel schon Gillen an, um zu fragen, ob wir es uns vielleicht anders überlegt hatten. Ich glaube, es war zehn, als wir endlich am Hostel ankamen.


Tag 3: Reeth, Sheffield und York

Die Sicht am nächsten Morgen auf grüne Wiesen, sanfte Hügel und Schafe (also quasi das Auenland) hat uns für die lange Nachtfahrt am Abend zuvor dann doch versöhnt. Auf dem Weg nach Sheffield, unser erstes Ziel an dem Tag, haben wir immer wieder angehalten, um von der schönen Landschaft North Yorkshires Fotos zu machen. 



Drei Grazien auf einer Bank (Fotograf: Gillen)
Zwischendurch tauchten merkwürdig bekannte Namen auf; aber während ich mich wohl noch auf ein Cider im Green Dragon (Pub in Hobbingen, der im Herr der Ringe erwähnt wird) eingelassen hätte, war ich ziemlich froh, dass wir um das Bolton Castle (in Game of Thrones kommt ein Charakter mit dem Namen vor) einen Bogen gemacht haben.

Die erste Stadt, die wir uns am dritten Tag ansahen, war Sheffield. Ich musste die ganze Zeit an einen Scherz meines Dozenten denken, der - ich weiß gar nicht mehr, in welchem Zusammenhang - entrüstet fragte, ob Romeo und Julia denn in Sheffield spiele.
Gebäude der Student Union
Nein, Sheffield ist keinesfalls das geeignete Setting für Romeo und Julia, aber die Stadt wird mir in Erinnerung bleiben, weil es die einzige Stadt war, in der wir ein warmes Mittagessen hatten (wir wollten möglichst billig reisen und haben uns überwiegend von Brot, gekochtem Schinke, Käse und Mandarinen ernährt). Im Haus der Student Union gab es recht billig Hamburger und Getränke.
Weil das Wetter auch in Sheffield zu wünschen übrig ließ, waren wir überwiegend in Museen: die Millennium Galleries, in denen unter anderem die Sammlung von John Ruskin ausgestellt war (der Typ hat einfach alles gesammelt - und, was mir sehr gut gefiel, er kam auf die Idee, dass man historische schöne Gebäude - vor allem Kirchen - nachzeichnen oder malen könnte, damit die Kunst erhalten bleibt) und die Graves Art Gallery. An die Millennium Galleries war auch ein schöner Wintergarten angeschlossen. Das Windspiel darin hat mir besonders gut gefallen, auch wenn man es leider nicht gut fotografieren konnte.
Trotz des schlechten Wetters sind wir auch ein wenig durch die Stadt und an den wichtigen Gebäuden (Kathedrale, Rathaus) vorbei gelaufen und haben am Ende noch einen Ausflug in den botanischen Garten gemacht, bevor wir weitergefahren sind.

Unser Plan war eigentlich zum Leeds Castle zu fahren. Allerdings mussten wir feststellen, dass es gar nicht in Leeds sondern in der Nähe von London liegt. Dort gibt es ein Dorf, das auch Leeds heißt. Blöd gelaufen, aber wir haben es noch rechtzeitig gemerkt und haben beschlossen, direkt nach York zu fahren. Als wir dort ankamen, war es schon dunkel und so fuhren wir direkt zum Hostel. Und da ging das Chaos los.
Ursprünglich wollten wir die letzte Nacht in Newcastle verbringen. Als wir in Manchester waren, bekam Gillen aber eine Mail, dass das Hostel, das er eigentlich gebucht hatte, vom Brandschutz oder so geschlossen worden war. Wir haben kurz beratschlagt und überlegt, stattdessen in York zu übernachten. Gesagt, getan, Gillen reservierte das Hoste in York - nur aus Versehen für den falschen Tag (den vorhergehenden nämlich). Nach einigem Hin und Her, einem Anruf bei der Buchungsplattform und einem Gespräch mit dem Chef des Jugendherberge gab uns die Frau an der Rezeption ein Zimmer für die Nacht. Wir freuten uns uns machten uns auf den Weg.
Aber damit endete das ganze leider nicht. Als wir die Tür zum Zimmer öffneten, fiel mein Blick zunächst auf zwei Unterhosen, die im Zimmer zum trocknen hingen, und danach auf die Besitzerinnen der Unterhosen, zwei Frauen zwischen schätzungsweise 40 und 50. Etwas perplex ging Gillen mit einer der beiden zur Rezeption, während wir Mädels im Flur warteten. Unglücklicherweise stellte sich heraus, dass die Frau vom Hostel uns auch für die falsche Nacht gebucht hat! Da im Hostel kein Platz mehr für uns war, mussten wir uns etwas anderes suchen. Nach einem kurzen Kriegsrat haben wir uns für das Hostel entschieden, dass uns die Jugendherberge empfohlen hat. Es war etwas teuerer aber das Frühstück war inbegriffen. Das Haus ist ein georgianisches Wohnhaus, in dem früher mal eine wichtige Familie mit ihren Dienern gewohnt hat. Überall hängen kleine Tafeln, auf denen Geschichten über das Haus und seine Bewohner stehen. Wir hatten einen 10er Schlafsaal für uns alleine, der früher das Zimmer der Haushälterin und dreier Dienstmädchen war.
Nachdem das Übernachtungsproblem also gelöst war und wir Abendbrot gegessen hatten, sind wir nochmal rausgegangen und haben den Pub besucht, den uns der nette (und gutaussehende ;-)) junge Mann an der Rezeption genannt hatte. Etwas Live-Musik, ein Cider in einem - trotz Skelett an der Theke - urgemütlichen Kneipenraum... Es war ein schöner Ausklang des so ereignisreichen Abends in York. Auf dem Weg haben wir schon ein bisschen von York gesehen und das hat mich total begeistert. Die Häuser sehen wie aus einem Märchenbuch aus.


Tag 4: York und Newcastle

Am nächsten Tag sollte nochmal das bestätigen, was ich schon am Abend vorher über York gedacht habe. Es ist echt wunderschön. Ich kann nicht glauben, dass wir die Stadt in unserer ursprünglichen Planung gar nicht berücksichtigt haben!







Wir begannen unseren Rundgang auf der alten Stadtmauer und auf einmal hatten Gillen, Anabel und
ich die Titelmelodie von Game of Thrones im Kopf. Über die Mauer gelangten wir zum Clifford Tower, wo im 12. Jahrhundert eine Gruppe Juden Schutz gesucht hatte, weil sie von einem Mob verfolgt wurden. Leider war die Flucht erfolglos, weil der Mob den Turm stürmte und diejenigen massarierten, die sich noch nicht selber umgebracht hatten. 
Konstantin vor der Kathedrale
In die Burg konnten wir nicht, weil sie noch geschlossen war. Stattdessen sind wir durch die Stadt mit den kleinen, bunten Häuschen und engen Gassen geschlendert, bis wir um eine Ecke bogen und staunend vor einer riesigen Kathedrale standen. Für mich war das wirklich überraschend. Gerade hatte ich noch ein Haus fotografiert, das wie aus einer Playmobilstadt oder einem Museum aussah, war dann zwischen zwei Häusern durchgenangen und stand im nächsten Moment vor einer Kirche, die bis in den Himmel ragte. Wirklich beeindruckend. Das imposante Gebäude wollten wir uns natürlich auch gerne von innen ansehen, aber da der Eintritt auch für Studenten unverschämt hoch war, haben wir nur einen kurzen Blick hineingeworfen und sind dann zum Eisenbahnmuseum geschlendert. 
Wir hatten aber nicht viel Zeit, also habe ich mir nur ein paar der alten Züge angeguckt und musste (natürlich) an Harry Potter denken. Außerdem dachte ich an Sheldon und ob er das Museum mögen würde (bestimmt). Ich bin so nerdy. :-D

Im Railway Museum

Das letzte Ziel auf unserer Englandreise war Newcastle upon Tyne. Wegen des eher bescheidenen Wetters haben wir uns das Hancock Museum in der Nähe der Uni angesehen. Besonders interessant darin fand ich die Ausstellung zur Hadrian's Wall. Die Mauer selbst haben wir zwar nicht gesehen, aber es war ein Modell der Mauer ausgestellt, dass mir die Länge derselben nochmal bewusst gemacht hat. Ich erinnere mich daran, dass wir sie in der siebten oder achten Klasse in Englisch besprochen haben, aber manche Sachen versteht man ja erst hinterher. In dem Museum war ansonsten eine bunte Mischung von fast allem zu sehen: Ausgestopfte Tiere, indische Gottheiten und auch eine Mumie. 
Modell der Hadrian's Wall
Nach dem Besuch um Museum haben wir uns die Innenstadt angesehen. Dabei kamen wir an der Statue eines Earl Greys vorbei, die an den 2. Earl Grey erinnert, der sich nicht nur politisch hervorgetan hat, sondern auch der Namensgeber des Tees ist (letzteres stand natürlich nicht auf der Säule).
St Nicholas
Die anglikanische St Nicholas's Cathedral stand auch auf unserer Besichtigungsliste - man merkt, dass ich die Sehenswürdigkeiten rausgesucht habe (Annabel hat uns gefahren, Gillen war Beifahrer (auf Spanisch übrigens copiloto, ein nettes Wort, wie ich finde), Susana hat die Finanzen verwaltet und ich saß hinten und hatte ein Handy mit Internet, also wurde ich beauftragt, Sehenswürdigkeiten zu googlen). Annabel hat zwischendurch schon gemault, dass wir ständig Kirchen sehen... Mir hat die Kathedrale aber gut gefallen. Wie in Inverness sind mit auch in Newcastle die bestickten Kniekissen aufgefallen. Die scheinen in Großbritannien wohl verbreitet zu sein. 







Fenster für die Dänen
Außerdem fand ich die Gedenktafeln für Dänischen Seeleute, die im zweiten Weltkrieg mit den britischen Soldaten gekämpft haben, bemerkenswert. Nachdem Deutschland Dänemark belagert hatte, standen alle dänischen Schiffe in Großbritannien unter britischem Schutz und kämpften mit den Briten. Dabei war Newcastle ein wichtiger Hafen. Normalerweise habe ich ja etwas gegen Kriegerdenkmale, aber dieses fand ich spannend, weil ich noch nie etwas über dänische Soldaten im britischen Dienst gehört hatte. Außerdem ist das Denkmal sehr unaufdringlich und nicht so gnadenlos patriotisch und emperialistisch wie die britischen, die ich bisher gesehen habe (man denke nur an "United we conquer").


 Zu Newcastles Sehenswürdigkeiten gehören auch sieben Brücken, die wir uns ansehen wollten. Auf dem Weg dahin kamen wir am "Black Gate" vorbei -  natürlich mussten Annabel und ich direkt an Mordor denken - und sahen außerdem ein Schild mit der lustigen Dopplung "Newcastle Castle". Bei den Brücken entdeckte ich eine, die auf den ersten Blick genauso aussah wie der Clyde Arc in Glasgow, bei genauem Hinsehen dann aber doch etwas anders war. Hinter dieser Brücke, die übrigens "Millennium Bridge" heißt, liegt ein Museum für moderne Kunst, das wir uns angesehen haben. Allerdings hat es uns allen nicht besonders gut gefallen. Ich hätte es ahnen müssen, als ich hörte, wie ein Mann zu seinem Begleiter sagte: "Der Gift Shop hat mir am besten 
gefallen!" Auch auf der anderen Seite des Flusses war merkwürdige Kunst zu sehen und wir beschlossen, wieder zurück in Richtung Auto zu gehen. Kurz bevor wir gefahren sind, habe ich mir noch einen Pulli mit dem Hogwarts-Wappen gekauft.

Vier Tage England mit drei Spaniern war schon ein Erlebnis. Ich habe nicht nur viele Orte gesehen, die ich vorher noch nicht kannte, sondern habe auch paradoxerweise vier Tage lang fast nur Spanisch gesprochen, was meiner Sprachpraxis mehr als gut tat. Und wir vier haben uns wirklich gut verstanden, obwohl ich Gillen und Susana vorher gar nicht und Annabel erst seit kurzem kannte.

Zwei Tage nach unserer Rückkehr haben wir uns nochmal einen ganzen Tag lang getroffen, haben Fotos ausgetauscht, sind in Ardrossan am Strand spazieren gegangen und haben sowohl den Hobbit als auch den neuen X-Men-Film gesehen. Wie gut, dass ich vorher noch nie einen X-Men-Film gesehen hatte. :-D Aber Annabel hat mir ziemlich gut zusammengefasst, worum es in den Filmen prinzipiell geht und wer wie mit wem verbunden ist, so dass ich nur am Ende einmal das Gefühl hatte, dass mir Hintergrundwissen fehlte. Der Film hat mir sogar erstaunlich gut gefallen. Diese England-Reise hat also immer wieder Überraschungen für mich bereitgehalten.



Freitag, 17. Oktober 2014

Auf der Suche nach dem Monster

Wochenenden und Ferien sind toll, denn dann kann man reisen. Ich habe am Samstag mit Amelie an einer weiteren Tour der Internationalen Studenten der Uni Glasgow teilgenommen. Dieses Mal ging es nach Inverness und zum Loch Ness. Der Ticketverkauf verlief genauso wie bei der Harry Potter-Fahrt, nur war es diesmal etwas chaotischer, weil Tickets für drei verschiedene Fahrten gleichzeitig angeboten wurden.
Wie auch bei der anderen Tour sollte es um Punkt acht Uhr losgehen. Wir waren um viertel vor acht am Treffpunkt. Die Busse aber kamen zu spät. Das nicht ganz pünktlich losfahren war etwas, das sich die ganze Fahrt über durchziehen sollte. An einem Samstag so früh am Treffpunkt zu sein, ist schon eine Herausforderung. Nachdem wir Glasgow hinter uns gelassen hatten, wurden wir aber dafür belohnt, denn nach und nach schälte sich die wunderschöne schottische Landschaft aus dem Nebel.


Die Highlands sind landschaftlich etwas völlig Anderes als das was ich aus Deutschland oder auch Irland oder England kenne. Vielleicht liegt es auch daran, dass gerade Herbst ist, aber es sind so viele Farben zu sehen. Das Gras hat nicht nur verschiedene Grün- sondern auch Gelb- und Brauntöne, die sich die Berge hochziehen. Die Spitzen der Berge waren im Nebel und tiefliegenden Wolken verborgen, aber immer wieder gab es Löcher in der Wolkendecke und eine Zeit lang hatten wir eine völlig surreale Sicht auf die Berge: erst Gras, dann eine Schicht Nebel, ein bisschen Berg und darüber die dicke Wolkendecke. Ich kam mir ein bisschen wie in einer Traumlandschaft vor.



Unser erster richtiger Halt (von einer Pinkelpause mal abgesehen) war Inverlochy Castle, eine Ruine aus dem 13. Jahrhundert, die am Fluss Lochy gelesen ist. Schon Wahnsinn, dass überhaupt noch etwas von der Burg steht. 
"Inver" bedeutet übrigens "Mündung". Inverlochy ist also die Stadt an der Mündung des Lochy, genauso wie Inverness an der Mündung des Flusses Ness liegt. Die Mauern der Burg sind sehr dick - ich glaube, unsere Reiseleitung sagte etwas von zwei Metern. 
Obwohl es erstaunlich ist, dass die Burg nach all den Jahren immer noch steht, fand ich sie weder besonders beeindruckend noch magisch. Sie ist nun mal eine Ruine. Auf einer Tafel am Eingang stand, dass Queen Victoria sich bei ihrem Besuch beschwert habe, dass man ja nicht sonderlich viel sehen könne. Tja, das Häuschen ist eben nicht - und war nie - der Buckingham Palace. Die gute Frau hatte vermutlich, so wie ich in Jordanien irgendwann, keine Lust (mehr) auf alte Steine. Diese Ansammlung von alten Steinen steht aber - anders als in Jordanien (meiner Meinung nach) - in einer wunderschönen Landschaft. Hinter der Ruine fließt der Fluss Lochy und an dessen Ufer steht ein riesiger Kastanienbaum mit (natürlich jahreszeitlich bedingt) grün-gelben Blättern, die bis ins Wasser reichen.



Als nächstes hielten wir an einem Kriegerdenkmal für den zweiten Weltkrieg, an dem wir auch ein Gruppenfoto gemacht haben. Diese ganze Besessenheit (so nenne ich es mal), was den Krieg betrifft, macht mich immer noch stutzig. Merchandise-Artikel wie Nachahmungen von Lebensmittelkarten und Feldpost bis hin zu Kriegsflugzeug-Ansteckern betrachte ich ja schon äußerst skeptisch, aber denke mir, dass das vielleicht mit dem Jahrestag des Beginns des ersten Weltkriegs vor 100 Jahren zusammenhängt und man damit eventuell einfach historisches Interesse wecken will. Aber in jedem noch so pisseligen Dorf steht ein Kriegerdenkmal, vor dem Kränze aus roten Plastikblumen, die Mohn darstellen sollen, liegen und in der Stadt bin ich schon mehrmals von Leuten angesprochen worden, die für Soldaten sammeln. Ich bin mir durchaus bewusst, dass Krieg sehr traumatisch für alle Beteiligten ist und dass mit solchen Denkmalen den Gefallenen gedacht werden soll, aber trotzdem habe ich da meine Probleme mit. 
Ich bin der Meinung, dass es grundsätzlich keine Kriege geben sollte, und habe das Gefühl, dass, wenn man eigentlich an die Toten erinnern möchte, gleichzeitig dem Krieg ein Denkmal setzt; vor allem, wenn man sich ansieht, wie manche dieser Denkmäler aussehen - auf diesem war z.B. die Aufschrift "United we conquer" zu lesen. Geht das nur mir so oder ist die Aufschrift leicht unpassend? Ich verstehe auch nicht, wieso wir das Gruppenfoto vor dem Kriegerdenkmal und nicht vor der schönen Landschaft gemacht haben...



So, Ende meines Exkurs über den Kulturschock und zurück zur Fahrt. Unser nächstes Ziel war Fort Augustus, wo wir zu Mittag gegessen haben. Fort Augustus liegt direkt am Loch Ness, das wir uns nach dem Essen angeguckt haben. Im Grunde haben Amelie und ich da nicht mitgedacht. Wir hatten beide etwas zu essen dabei und hätten uns an den See setzen können. Stattdessen haben wir am Caledonian Canal gesessen, was aber auch sehr schön war. Am Kanal steht eine Statue von Nessie und ihrem Kind (mir war gar nicht klar, dass Nessie offenbar weiblich ist). Zuerst dachte ich, Klein-Nessie habe eine Schleife auf dem Kopf, aber dann habe ich festgestellt, dass es nur die Zunge war. Dafür, dass Loch Ness so sagenumwoben ist, fand ich es dann recht unspektakulär. Es war schön, keine Frage, aber Loch Lomond hat mich stärker beeindruckt und die Fahrt durch die Highlands sowieso. Allerdings ist Nessie auch nur das bekannteste Ungeheuer in den Lochs. In vielen anderen Lochs soll es auch Seeungeheuer geben. Das macht Schottland mal wieder total sympathisch für mich.



Als nächstes haben wir kurz am Loch Ness Exhibition Centre halt gemacht. Für die Ausstellung war nicht genug Zeit, aber wir konnten ein Foto mit einer potthässlichen Nessie-Statue machen ("Selfie with Nessie"), die definitiv nicht meiner Vorstellung des Ungeheuers entspricht und in den Nessie-Shop gehen, wo es neben T-Shirts und Postkarten Plüsch-Nessies in allen Formen, Farben und Größen gab. Zwischen all den Nessies habe ich Amelie aus den Augen verloren und kam ein bisschen zu spät zum Bus (zusammen mit zwei oder drei anderen). Auf dem Weg nach Inverness, unserer letzten Station wurde uns dann eingebläut, dass wir auf der Rückfahrt auf jeden Fall pünktlich sein müssten, weil der Bus um 18 Uhr losfahre und alle in Inverness lasse, die sich bis dahin nicht im Bus befinden.
Wir hatten gut zwei Stunden in Inverness. Zuerst haben wir einen Blick in die Kathedrale geworfen. Da sind mir vor allem die bunt bestickten Kniekissen aufgefallen. 







Als nächstes sind wir über die Insel im Fluss Ness gelaufen, die an Sommerabenden echt schön sein muss (inklusive Glühbirnen in den Bäumen), aber an einem etwas feuchten Oktobernachmittag  etwas von ihrem Charme verlor. Es hat zwar nicht geregnet, aber der Boden war trotzdem etwas matschig und am Himmel waren grauen Wolken. Außerdem hatte ich ein kleines Tief, vielleicht habe ich deswegen die Insel nicht ganz so genossen.

Natürlich gab es auch auf der Insel einen angemalten Baumstamm, der Nessie darstellen sollte. Man weiß ja trotz mysteriöser und unscharfer Bilder nicht, wie sie aussieht - wenn es sie denn überhaupt gibt. 1933 erschien das erste Foto von ihr in der Daily Mail, worauf ein Zirkusdirektor demjenigen, der ihm das Monster für seinen Zirkus fing, eine riesige Belohnung versprach und der ganze Wahnsinn losging, obwohl es schon vorher Sichtungen gegeben haben soll. 
Bis heute hat man, wie ihr alles wissen solltet, aber noch nichts gefunden. Was möglicherweise auch damit zusammenhängt, dass das Loch Ness von der Oberfläche her zwar nur das zweitgrößte Loch (nach Loch Lomond) Schottlands ist, aber wegen seinder Tiefe das meiste Wasservolumen hat. Es hat mehr Wasser als alle Seen Englands und Wales zusammen! Da dauert es eben ein bisschen, bis man eine Seeschlange gefunden hat. Vermutlich kann sie sich auch einfach gut verstecken. ;-) Ich hätte auch keine Lust, ständig fotografiert zu werden.

Nach dem Spaziergang über die Insel sahen wir uns noch Inverness an. Ich hatte vorher im Internet von einem tollen Secondhand-Buchladen gesehen, der auf den Fotos total schön aussah. Den haben wir gesucht und auch gefunden. Er ist wirklich sehr urig, aber das Café in der oberen Etage war leider schon geschlossen und wir hatten nicht genug Zeit, um zu stöbern, weil wir ja nicht in Inverness gelassen werden wollten. Ich hatte geplant, am nächsten Tag mit drei Spaniern nach Nordengland fahren. Sonst hätte ich nichts gegen etwas mehr Zeit in Inverness gehabt. So saß ich um 18 Uhr wieder zeitgerecht im Bus (so wie alle anderen auch) und habe mir einfach fest vorgenommen, nochmal nach Inverness zu fahren und dann über Nacht zu bleiben. Es ist zwar offensichtlich möglich, einen Tagesausflug daraus zu machen, aber das hat schon irgendwie geschlaucht und ich hätte das gerne etwas ruhiger angegangen. Ich habe ja noch ein paar Monate Zeit. Inverness im Frühjahr ist sicher auch eine Reise wert.
Noch ein Grund nach Inverss zurückzukehren - ich muss doch gucken, wie sich Professor McGonagall in ihrem Nebenberuf macht! ;-)